Alte Landkarten
Zu den echten Perlen weltweiter Bedeutung gehören drei Exemplare kolorierter Seekarten von Mitgliedern bedeutender katalanischer Familien, Herstellern von Seefahrerkarten und Kartografen, deren umfangreicher Clan insbesondere im 16. und 17. Jahrhundert auf den Balearen, in Italien, Spanien und Frankreich wirkte. Neben zwei unabhängigen, im Jahr 1624 im italienischen Livorno von Joan Oliva gezeichneten Karten (Signatur M V 51.798 und M V 51.799) verwahrt die VKOL (wissenschaftliche Bibliothek Olmütz) auch einen sehr wertvollen Portolanatlas aus der Werkstatt von Jaume Olives aus dem Jahre 1563 (M II 33). Alle drei erwähnten Exemplare wurden mit der sehr aufwändigen, aber noblen Technik der Handmalerei auf Pergament hergestellt. Die sorgfältige künstlerische Anfertigung wird durch goldene und silberne Elemente mit reichen figürlichen Verzierungen vervollständigt. Bis heute sind weltweit nur sechs Atlanten von Jaume Olives erhalten geblieben, und das einschließlich des Olmützer Exemplares.
Der Atlas mit den Maßen 31×23,5 cm setzt sich insgesamt aus sieben Folien zusammen, von denen die erste Folie eine Titelrosette darstellt, nach der die sechs eigentlichen Kartenblätter folgen, die von der geografischen Seite her das Gebiet des Mittelmeeres und des Schwarzen Meeres sowie ungefähr den nördlichen Teil des Atlantiks abdecken. Der inhaltlich beachtenswerteste Teil des Atlas ist das vorletzte Kartenblatt, das einen Großteil des Nordatlantischen Ozeans zeigt. Den Raum zwischen dem europäischen, afrikanischen und der angedeuteten nordamerikanischen Küste füllen einzelne Inselgruppen sowie einzelne Länder. Außer der obligatorischen, wenn auch zu dieser Zeit verhältnismäßig modernen Darstellung von Madeira, den Kapverden, den kanarischen Inseln sowie den Azoren, erwecken geheimnisvolle, vom Ozean umgebene Kontinente das Interesse. Es geht um die mythischen Kontinente Frisland, Estiland, Illa de Brasil, Illa Verde und Illa de Mayda. Mittelalterliche und neuzeitliche Karten wimmeln über Jahrhunderte buchstäblich von legendären Kontinenten, egal ob aus Gründen nebulöser Märchen von Seefahrern oder einfacher Fischer und den daraus entsprungenen Irrtümern und häufigen Verständnislosigkeiten oder klaren Erfindungen einzelner Kartographen, die förmlich vor Schreck vor dem leeren Räumen in ihren Landkarten erstarrten. Sie halfen sich durch das Zeichnen merkwürdiger Geschöpfe, von Meeresungeheuern und Fantasieländern.
Eine andere handschriftliche Kostbarkeit, eingeklebt im inneren Umschlag eines mittelalterlichen Kodexes (M I 155), ist die älteste erhalten gebliebene Karte in der Bibliothek und stammt wahrscheinlich aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Diese in Tschechien vereinzelte mittelalterliche Weltkarte, überdies teilweise koloriert, stellt die Welt auf der Basis der Vorstellungen bezüglich ihres Aufbaus am Anfang des 15. Jahrhunderts dar.
Einen wesentlichen Teil der Landkartensammlung bilden die klassischen Werke der Großmeister des 16. bis 18. Jahrhunderts. Wir finden hier unter anderem Vertreter der sogenannten holländischen Schule, die unter Mitwirkung der „Väter der modernen Kartographen“ Gerhard Mercator (1512–1594) und Abraham Ortelius (1527–1598) ab Mitte des 16. Jahrhunderts über hundert Jahre an der Spitze der kartographischen Produktion standen. Auch weitere holländische Familien hatten an diesem Fakt wesentlichen Anteil – Hondius, Jansson und Blaeu. Von den vielen guten Namen niederländischer Kartographen und Verleger, die in der Sammlung der VKOL vertreten sind, nennen wir vor allem die Dynastie Vischer, Pieter Schenk, Gerard Valck sowie Frederik de Witt.
Die Gründerrolle Mercators ist mit seinem Schlüsselwerk verbunden, dem Atlas sive cosmographicae meditationes. Das ist überhaupt die erste Verwendung des Ausdruckes „Atlas“ für ein kartographisches Werk. Die Bezeichnung wurde abgeleitet vom Namen eines mauretanischen (nordafrikanischen) Königs, der auf dem Titelblatt abgebildet ist (III 19.562, Amsterdam 1623; eine andere kolorierte Ausgabe III 19.560, Amsterdam 1628). Eine nicht minder bedeutende Stelle nimmt Ortelius Theatrum orbis Terrarum (Theater der Welt) ein, der als erster moderner Atlas betrachtet wird, mit einheitlich verarbeiteten geographischen Karten und mit einer einheitlichen Konzeption herausgegeben (III 19.561, Antwerpen 1609). Auch der umfangreichste Atlas aus der Barockzeit mit dem Namen Atlas Maior von Joan Blaeu muss erwähnt werden. Die ursprünglich elfteilige lateinische Ausgabe beinhaltete 596 Karten von Europa, Afrika, Asien, Amerika aus der damaligen Zeit und gleichzeitig
gehörte zu den kostbarsten Büchern des 17. Jahrhunderts. In der VKOL sind leider nur drei Bände erhalten geblieben, die „Germanien“, „Galizien und Helvetien“ und Asien gewidmet sind. In der Sammlung darf selbstverständlich auch nicht die sogenannten deutsche Schule fehlen, präsentiert in Werken von Johann Baptista Homann (1664–1724), der sich die Position des berühmtesten Kartographen Deutschlands sicherte, von George Matthäus Seutter (1678–1757) oder von Tobias Conrad Lotter (1717–1777). Als die führenden „österreichischen“ Verleger Ende des 18. Jahrhunderts, die in der Sammlung vertreten sind, muss man Franz Anton Schrämbl (1751–1803) und Franz Johann Joseph von Reilly (1766–1820) betrachten. Beide brachen mit der früheren Praxis, dass in der österreichischen Monarchie bis zum dritten Viertel des 18. Jahrhunderts ausländische kartographische Produktion vorherrschte. Konkret ist es notwendig, Reillys ehrgeizigen Atlas der damaligen Welt zu erwähnen, den Schauplatz der fünf Theile der Welt (III 43.744), der in sechs Bänden ungefähr 850 Kartenblätter beinhaltet.
Den bohemistischen Teil der Sammlung repräsentieren die vorzüglichen Arbeiten des „leistungsfähigsten Kartographen aller Zeiten“ Johann Christoph Müller (1673–1721) in Form seiner bahnbrechen den Landkarte von Mähren (649.799, Tabula Generalis Marchionatus Moraviae, Brünn 1790 – zweite Ausgabe) und Böhmen (II 171.356, Mappa geographica regni Bohemiae, Augsburg 1720). Müllers Karte von Böhmen gehört zu den schönsten und wertvollsten kartographischen Werken unserer Vergangenheit und ist mit ihren respektablen Dimensionen (240×282 cm), dem Inhalt, der kartographischen sowie der darstellenden Verarbeitung vielen anderen heimischen und ausländischen Karten weit voraus.
Unter die Raritäten der kartographischen Kollektion gehört auch die Neuauflage einer Karte von Claudio Ptolemaio, 1511 in Venedig herausgegeben (III 19.53), ferner ein umfangreicher Plan Wiens aus dem Jahre 1770 mit einem Ausmaß von 230×238 cm oder die sogenannte Landkarte vom Schlaraff enland alias Accurata Utopiae Tabula. Die Karte, deren Ursprung im zweiten Drittel des 18. Jahrhunderts liegt, ist ein imaginär komisches oder vielmehr ironisches Bild menschlicher Torheit, Liederlichkeit, Trunksucht und überhaupt aller bekannten Laster, gesetzt in die fiktive geographische Konstruktion des utopischen Landes, in dem Milch und Honig fließen – das Schlaraffenland.
Im Unterschied zum europäischen Kontinent ist das Schlaraffenland in ungefähr 17 Länder auf dem Festland und weitere auf Inseln verteilt, deren Namen auch heute noch ein Lächeln auf die Gesichter zaubern. Wir können hier zum Beispiel auf das Königreich Verschwenderland trefen (Prodigalia Regnum), das Land Mammon (Mammonia), die Republik der Lüste (Republica Venerea), mit dem Königtum Übermut (Superbia Regnum), dem Königtum Narrenland (Stultorum Regnum), dem Land der Streiter (Litigonia) oder dem Königtum Fluchland (Iuronia Regnum).
Eigentlich hat die ganze Kartenlegende einschließlich der Inseln, Berge, Flüsse (der Wein oder der Bier) und Städte eine sarkastische Art. So wird zum Beispiel die größte Wasserfl äche im Landinneren als Meer der Lüste (Venerea Meer) bezeichnet, die Inseln in der Gegend haben Namen wie Schmaucherland, Schnupferland, Schwarzfürstenland (Insulae Negromanticae) oder Schmarotz Insula im sogenannten Luder Meer und Meer der Säufer (Mare Ebrium). Ein Teil der kartographischen Sammlung (über 550 Blätter) ist in der digitalen Kartenbibliothek frei zugänglich (http://mapy.vkol.cz/), die handgezeichneten Seefahrerkarten, die im handschriftlichen Bereich abgelegt sind, findet man auch in der digitalen Bibliothek der VKOL (http://dig.vkol.cz/).